Praktizierte Devotion

Der Aufenthalt in einem indischen Ashram lehrt einem eine fast vergessene Sicht auf die Dinge. Die gelebte Erfahrung ermöglicht Einblicke in den Hinduismus und die dort praktizierten Riten.

Lorenz Tränkner

Feldforschung in einem indischen Kloster

Im Zuge meines Studiums der Ethnologie und Indologie war es an der Zeit mein verpflichtendes Auslandssemester anzutreten und im Idealfall eine eigene Forschung durchzuführen. Hierfür begab ich mich für 34 Tage in ein indisches Kloster (Ashram) im Bundesstaat Uttharakhand. Ich ging dort alleine hin und zusammen mit einer kleinen Gruppe von Devotees, spirituell Praktizierenden, widmete ich mich dem täglichen, routinierten Tagesablauf vor Ort. Des Weiteren lebt dort eine Frau aus Lettland welche in einem Teil des Ashrams für die täglichen Riten zuständig ist. Zwei weitere, indische Ritualleiter (pujari) und nur wenige weitere Personen leben für einige Monate oder sogar dauerhaft dort.

Hintergründe zu meiner Forschung

Der Tag begann morgens um 4.00 Uhr mit einer Dusche oder besser noch einem Bad im Fluss und endete ca. um 20.00 Uhr mit dem Abendessen. Ich war 2017 in der Zeit vom 17.10. bis 9.11. und vom 5.12. bis 14.12. im Ashram. Zwischenzeitlich reiste ich für drei Wochen nach Nepal. Zum einen, weil ich die Berge sehen und meinen Körper auspowern wollte, zum anderen um zu testen, ob ich die selbe Verbindung wie im Ashram auch woanders spüren kann. In dieser Hinsicht habe ich meine Forschung an einem anderen Ort fortgesetzt, denn beim Wandern rezitierte ich sechs Stunden täglich das „Om Namah Shivaya“ Mantra. Was es damit auf sich hat erkläre ich weiter unten.

Meine Methoden, welche ich zur Datenerhebung nutzte, sind Tagebucheinträge, Interviews mit Menschen im Ashram, Fotografien und Tonaufnahmen von Gesängen und Instrumenten. Der Grund für die Wahl dieses Themas ist, dass ich schon seit einigen Jahren sehr von Yoga begeistert bin und dadurch stieß ich auf Mantren, also rhythmische Rezitationen, in etwa wie ein Gebet. Die „Autobiographie eines Yogi“ führte mich zu Babaji und dann begann ich nach seinem Ashram zu recherchieren. Zudem ist es mir ein Anliegen, in der heutigen Gesellschaft, welche zumindest in unserem Teil der Welt sehr rational gepolt ist, etwas mehr Sentimentalität einfließen zu lassen und was liegt da näher als eine wissenschaftliche Forschung über einen indischen Kult, welcher versucht das Göttliche in seiner Fülle zu begreifen und zu realisieren?

Meine Forschung widmete ich dem Themen- und Praxiskomplex des Bhakti. Bhakti ist die indische Bezeichnung für die Frömmigkeit als einen Erlösungsweg im Hinduismus, dem Sikhismus und in mystischen Strömungen des Islam. Es bezeichnet die Gottesliebe, die im Kult gepflegte Hingabe an einen personalen Gott oder ganz allgemein die Beziehung zwischen Mensch und Gott.

Geschichte des Bhakti und Bezug zu meinem Forschungsgebiet

Die Bewegung begann im 6. und 7. Jhd. in Südindien und trat ab dem 15. Jhd. auch in Nordindien auf. Bemerkenswert ist, dass die Bhakti-Bewegung Stellung gegenüber der Macht der Tempel und der Priester bezog. Dadurch löste sie das vedische Opfer ab - die vedischen Rituale sind seit einigen tausend Jahren in Indien stark etabliert und geschätzt worden. Dadurch wurde die intellektuelle Suche nach erlösendem Wissen emotional eingebunden und bildete damit einen Gegenpol zum Ideal der Askese, in welcher die spirituell Suchenden durch diverse Praktiken ihren Körper und dessen Schmerzen überkommen zu versuchen, anstatt sich diesem anzunehmen. Die Bhakti-Bewegung lehnte außerdem das Kastenwesen - die auch heute noch dominante Gesellschaftsstrukturierung in Indien - und Geschlechtsunterschiede ab und überwand damit viele soziale Barrieren, wodurch die gesamte Religionsgeschichte Indiens beeinflusst wurde.

Eine Gemeinsamkeit aller Bhakti-Strömungen ist der Theismus, d.h. der Glaube an Götter. Der jeweilige verehrte Gott ist der alleinige Schöpfer des Universums. In der Hindu-Mythologie gibt es jedoch in etwa 33 Millionen verschiedene Götter, welche als verschiedene Aspekte oder Teile des Ganzen, des universellen Ursprungs, personifiziert werden. Im Bhakti gibt es zwei Hauptströme, der eine ist “Sanguna“ - in welchem eine Gottheit mit Qualitäten und Attributen verehrt wird. Die andere Richtung verehrt eine formlose Gottheit, in etwa nur eine Vorstellung von Licht oder Ähnliches und nennt sich “Nirguna“. Der berühmte Dichter Shandilya schrieb im 8. Jhd. das Bhaktisutra, welches zu einer grundlegenden Schrift wurde. Darin beschreibt er Bhakti als das eigene Herz, welches eine intensive Begierde und den sehnlichen Wunsch nach Gott empfindet.

Aus heutiger Sicht stellt der Pfad (marga) des Bhakti eine Massenbewegung dar, welche tausende Dichter und Mystiker hervorbrachte. Deren Lieder verbreiteten sich sehr weit und werden auch heute noch überall, vor Allem aber in den ländlichen Gebieten Indiens regelmäßig gesungen und rezitiert.

Es wird angenommen, dass die Verehrung von Göttinnen, der weiblichen Kraft (Shakti), in Indien bereits älter ist als die Verehrung der männlichen Götter. Somit gab es immer eine Form von Bhakti, welche nur die Devi (weibliche Versinnbildlichung des Göttlichen) verehrte. Die Shakti wird als der dynamische Ausdruck dessen gesehen, was im männlichen in der Stille enthalten ist. Daher haben alle männlichen Götter eine weibliche Form und Partnerin. Dies ist wichtig, da in dem Ashram, in dem ich mich aufhielt, sowohl männliche als auch weibliche Formen verehrt werden. Es gibt dort sogar eine zeremonielle Feuerstelle (dhuni), welche ausschließlich der Shakti geweiht ist.

Die Region, in welche ich mich begab, nennt sich Kumaoni und beschreibt eine sanft bergige Landschaft, durchzogen von einem klaren Fluss mit vielen Seitenarmen, dem Gautama Ganga, welcher zu einem späteren Zeitpunkt in den großen Ganges, einer der heiligsten (und schmutzigsten) Flüsse Indiens mündet. Das Ashram liegt etwa eineinhalb Stunden Fahrt mit einem, auf sehr kurvigen Straßen schaukelnden Geländewagen, von Haldwani, der nächstgelegenen Stadt, entfernt. Diese Stadt wiederum liegt etwa acht Stunden Busfahrt nord-östlich von der Hauptstadt Delhi. Der Fluss, die Berge, vor Allem aber der Mount Kailash werden in zahlreichen mündlich überlieferten Liedern, Sagen etc. und in den täglich gesungenen Liedern des Aartis (Erläuterung folgt) verehrt und stetig angepriesen - diese Begeisterung für die dortige Natur kann ich nur zu gut nachempfinden. Das Ashram liegt an einem Ende der einzigen Straße in diesem Teil der Berge und ist direkt in das dortige Dorf mit selbigem Namen “Hairakhan / Haidakhan“ eingegliedert. Rund herum befinden sich kleine Tee- und Imbisshütten, viele davon im trockenen Flussbett. Sie werden dort jährlich von Menschen aus umliegenden Dörfern aus Flusssteinen immer wieder neu aufgebaut, da die Flut das gesamte Tal unter Wasser setzt. Nur ein Baum, welcher in Form der Gottheit Hanuman - einem Affengeneral aus dem berühmten Epos Ramayana - verehrt wird, trotzt der Flut schon seit einigen hundert Jahren. Er bleibt stehen obwohl das reißende Wasser bis in seine Baumkrone gelangt. Mir wurde berichtet, dass sich dort sogar manchmal verfangene Steine finden lassen.

Das Ashram wurde zu Ehren und mit Hilfe eines Meisters gebaut, welcher in dieser Region von 1970 bis 1984 präsent war und viele Devotees in dieses kleine Dorf brachte. Sein Name ist Babaji und er wurde im Alter eines jungen Mannes im Juni 1970 in einer kleinen Höhle am Fuße des Mount Kailash gefunden, direkt am Ufer des Gautama Ganga. Ein Dorfbewohner wurde in einem Traum durch Babaji dorthin gerufen.

Wer oder was ist Babaji?

Der nun folgende Teil kann verwirrend sein für Menschen, welche das Nicht-Rational-Erfassbare für nicht existent betrachten. Ich versuche mich weitgehend an Fakten zu halten, jedoch ist der ganze Ort, die ganzen Prozesse die dort ablaufen, mit so viel Bedeutung durchdrungen, welche auf bestimmten Weltanschauungen basieren, dass ich an diesem Punkt einfach darum bitten möchte das Geschilderte zunächst einmal einfach für potenziell möglich zu halten.

Babaji ist eine allgemeine Bezeichnung des Respekts gegenüber spirituellen Lehrern. Das Wesen Babaji wird in diesem Kontext als legendärer Heiliger und Avatar verehrt, was im hinduistischen Glauben einer göttlichen Inkarnation entspricht. Das Göttliche manifestiert sich also aus sich heraus in menschlicher Gestalt. Mahavatar Babaji, „großer Avatar“, wie er unter anderem auch genannt wird, hat viele verschiedene Namen und Titel. Er manifestiert sich gleichzeitig an mehreren Orten in unterschiedlicher Erscheinung - so dem Glauben und Berichten zufolge. Dabei bleibt er immer dasselbe göttliche Wesen. Sein Gesicht wurde wie folgt von einem Devotee beschrieben: „es habe einen jugendlichen Ausdruck, feine Ausprägungen und erscheint dabei in einer reinen Strahlung. Seine Augen glitzern, sein Blick ist tief durchdringend und stark fokussiert, während ein verspieltes Lächeln auf seinen Lippen liegt.“

Das Phänomen eines Avatars ist grundlegend für den hinduistischen Glauben. Sie sollen in Übergangszeiten oder Krisen auftreten und kommen, um den Körper der Erde von einer Krankheit zu befreien. In der Bhagavadgita (“Gesang des Erhabenen“), einem Abschnitt aus dem noch größeren Epos Mahabharata, wird über die wiederkehrende Inkarnation gesagt:

“Immer dann, wenn die Spiritualität verfällt und der Materialismus zügellos wuchert, dann, O Arjuna, reinkarniere ich mich selbst. Um die Tugendhaften zu beschützen, die Übeltäter zu zerstören und Gerechtigkeit zu etablieren, werde ich von Zeit zu Zeit wiedergeboren.“

Der Avatar wird als Modell der Perfektion in menschlicher Gestalt betrachtet. Der Unterschied zwischen einem Avatar und einem potenziell göttlichen Menschen, liege darin, dass sich der Avatar über seine Einheit mit der Schöpfung, oder der göttlichen Kraft komplett bewusst ist. Die Menschen, trotz dass sie dieselbe Herkunft haben wie ein Avatar, sind nach hinduistischem Glauben blind die Wahrheit zu erkennen, da sie durch die Sinne des Körpers und des Geistes abgelenkt werden.

Praktiken im Ashram und deren Wirkung

Kommen wir nun zum Kern meiner Forschung und den Abläufen im Ashram selbst, der spirituellen Praxis. Mich interessierte vor allem die Erforschung der Gefühle, wenn Personen sich in einem tiefen Zustand der Hingabe befinden. Schon bald jedoch kam ich aber an den Punkt - meine ersten beiden Wochen waren komplett davon geprägt - dass sich diese Zustände nur sehr schwer in Worte fassen lassen. Zudem musste ich feststellen, dass mich meine Rationalität in der Erfahrung tiefer Zustände der Hingabe oder Verbundenheit nur behinderte. Somit waren meine ersten Wochen zunächst dazu da jegliche Pläne welche ich gemacht hatte aufzugeben und mich von dem Gedanken zu lösen auch nur ein Interview oder einen Tagebucheintrag aufzuzeichnen. Als ich dies weitgehend durchschritten hatte, wurde plötzlich Raum zum fühlen!

Im Ashram waren die Hauptpraktiken das Ausführen von Ritualen (puja) und das Singen von Mantren oder Bhajans, kurze Verse - meist in Sanskrit geschrieben, einer sehr alten, heute nicht mehr gesprochenen Sprache. Eine weitere Praxis ist Karmayoga, das heißt Arbeiten für das Ashram tätigen, um die Reinheit zu wahren und währenddessen die ganze Zeit (vier Stunden täglich) japa ausführen. Japa beschreibt ein kurzes, in der Stille konstant wiederholtes Mantra. In diesem Fall „Om Namah Shivaya“. Dadurch wird die Arbeit, samt der von ihr erwarteten Erfolge, Gott gewidmet. Babaji gab dieses Mantra den Menschen, zum einen weil an diesem Ort die Gottheit Shiva verehrt wird und Babaji sich selbst als Inkarnation Shivas sieht. Zum anderen sagte er den Menschen, dass dieses Mantra, richtig praktiziert, stärker als eine Atombombe sei. An diese Stärke des Mantras glauben die Menschen dort und auch ich durfte diese Kraft annähernd kennen lernen. Auch außerhalb des Ashrams ist „Om Namah Shivaya“ für mich zu einem steten Begleiter geworden. Vor allem bei der Ausführung von japa werden häufig Gebetsketten (mala) zur Hilfe genommen. Hierbei spielt die korrekte Anzahl der Perlen, welche für die einzelnen Wiederholungen stehen, eine wichtige Rolle. So haben die meisten malas eine Anzahl von 108 Perlen, dies ist die Zahl Shivas. Gleichzeitig kann sie dabei helfen den Geist zu fokussieren, da man zusätzlich eine physische Beschäftigung hat.

Der tantrischen Lehre zufolge ging das Universum aus der Energie des Klangs durch den göttlichen Willen hervor. Mantren können als Klangsymbole gesehen werden. Sie bestehen oft nur aus einzelnen Buchstaben und Silben. Es wird geglaubt, dass sie die göttliche Essenz enthalten und diese durch Rezitation freigesetzt wird. Verschiedene Mantren enthalten in diesem Kontext verschiedene Qualitäten der Schöpfung; da wir selbst Teil der Schöpfung sind entsprechen sie somit auch Energiezentren im Körper die grob durch die Organe im menschlichen Körper differenziert werden können - somit richten sich diese Gesänge sowohl an Götter als auch an unseren physischen Körper selbst. Ist ein Name einer Gottheit im Mantra enthalten, so sei ihre Qualität darin verborgen. „Om Namah Shivaya“ beispielsweise kann so übersetzt werden: „Ich ergebe mich Gott (Shiva); Herr dein Wille geschehe.“ Ich persönlich erkenne hier deutlich die Hingabe die diesen Zeilen entspringt. Man kann auf die göttliche Führung vertrauen, lässt die eigenen Schritte leiten und gleichzeitig ergibt man sich der Stimme des eigenen Herzens. Diese Stimme ist es, durch welche Babaji auch heute noch mit vielen Devotees in direkter Verbindung steht. Dies wurde mir persönlich mehrmals vermittelt.

Die rituelle Lobpreisung (puja) ist ein eingegliederter Teil des hinduistischen religiösen Bestrebens. Sie ist immer an das höchste, ganze Wesen gerichtet, dessen Teil wir Menschen sind. In der Hindu-Religion ist das Unbewusste sehr real und stellt nur eine andere Ebene der Existenz dar. Es ist eine Welt aus Spiegeln, jegliche inneren Bilder sind nur Masken der Realität. Um sie zu durchdringen ist eine sehr hohe - bestimmte, scharfe und beständige - Aufmerksamkeit nötig. Dadurch kommt der Lobpreisende in die Wiedervereinigung mit dem Göttlichen, der Lobpreisende selbst wird zum Göttlichen. Durch die totale Offenheit und die perfekte Konzentration übernimmt der Geist des Lobpreisenden die Attribute des höchsten Wesens und das Objekt der Lobpreisung ist im Endeffekt das Innere Selbst des Devotees.

In diesem Sinne werden oft Murtis (Statuen aus Marmor) zur Lobpreisung genutzt. Sie stehen für eine lebendige, verdichtete Form des Göttlichen. Eine Murti versinnbildlicht die Repräsentation des Göttlichen und wird somit als eine direkt ansprechbare Instanz wahrgenommen. Durch regelmäßige Praxis kann der Ausführende sich damit identifizieren. Die Befreiung nach welcher gesucht wird ist keine persönliche Freiheit, sondern ist in einem Stadium zu finden, in welchem das Ego transzendiert wurde.

Der Ablauf einer puja und deren Höhepunkt

Das tägliche Ritual (zu Sonnenauf- und -untergang, den heiligsten Stunden des Tages im Ashram) beginnt, nachdem der Devote frisch gebadet und gekleidet die Gottheit begrüßt. Danach folgt eine Verbeugung - die Berührung der Füße der Gottheit. Hierbei werden Gaben überreicht (Wasser, Kleidung, Schmuck, Blumen, Räucherstäbchen, Essen). Beim Aarti, der “Darreichung von Licht“, wird zusätzlich Feuer als Gabe gegeben. Diese Rituale können sehr komplex werden. Bei einfachen jedoch beschränkt sich das Ritual auf das Bringen der Gaben und dem Waschen der Füße der Gottheit.

Den Höhepunkt des Rituals stellt das Aarti dar. Es besteht hauptsächlich aus der Darreichung von Feuer und Wasser, eingebettet in eine strikte Reihenfolge aus heiligen Gesängen und rituellen Gesten. Das Feuer steht hier für die Sonne, diese wiederum für Reinigung und im Endeffekt für Energie und Leben. Es wird auf einem kleinen Kerzenständer mit sieben Kerzen aus Watte und Ghee (geklärte Butter oder Milch) entzündet und als Symbol der eigentlichen Natur der Gottheit, welche Licht ist, überreicht. Das Wasser ist meist in einem Kupfergefäß zu finden und wird als Kernsubstanz göttlicher Manifestation betrachtet. Die Gesänge, welche das gesamte Aarti begleiten, werden durch verschiedene Instrumente unterstützt, am wichtigsten ist das Harmonium und dessen Spieler/-in mit seiner/ihrer Stimme. Zusätzlich wird oft eine nordindische Trommel (dholak) mit beidseitigem Trommelfell gespielt. Ich selbst spielte dieses Instrument einige Male über die gesamte Zeit des Aartis hinweg, was so in etwa jeweils eine Stunde betrug. Dieses Trommelspiel war sehr wichtig für meine Erfahrung und lehrte mich einiges, worauf ich hier aber nicht eingehen möchte. Des Weiteren werden oft unterschiedliche Schellen und Rasseln zur Begleitung gespielt. Während des Aarti kann man Einblicke in die essentielle, transzendente Qualität des Göttlichen erhalten. Während eines Aartis zu Babajis Zeit wurde seine Erscheinung von einem Devote als komplett still und “nicht-physisch“ beschrieben, während sie das Licht seiner wahren Natur durchscheinen lässt.

Nach dem Ritual werden die dargereichten Gaben unter den Verehrenden verteilt. Dies wird „prasad“ genannt und beschreibt das gesegnete Essen (meist Obst, Nüsse oder Süßigkeiten). Die Transformation in eine gesegnete Mahlzeit geschieht im Prozess des Rituals und es wird geglaubt, dass diese Nahrung nun eine heilige Substanz enthält. Das Selbe tat Babaji mit all den Geschenken, die er durch die Devotees erhielt. Er nahm sie an, segnete sie und verteilte sie daraufhin wieder.

Konklusion

Zu guter Letzt möchte ich noch einmal auf die Bhagavadgita zu sprechen kommen. Diese Schrift besteht aus einem Dialog zwischen Arjuna, einem Art Helden oder Heerführer und Krishna, einer inkarnierten Gottheit. Hierin lehrt Krishna Arjuna, dass Bhakti, die liebevolle Selbstaufgabe gegenüber Gott, der effektivste Weg ist diesem zu begegnen. Dieser Pfad ist zwar für alle Menschen offen und zugänglich, jedoch trete die Enthüllung erst ein, wenn jegliche Skepsis, jegliches Zögern und jede Zurückhaltung aufgegeben werden. In etwa beschreibt dies einen Zustand von „Offenheit für jeden Moment, ungeachtet der Gefahren und Konsequenzen“.

Wir konnten sehen, welche enormen Auswirkungen die Bhakti-Bewegung auf Indien hatte. Doch nicht nur dort, sondern in verschiedensten Teilen der Erde werden mittlerweile sehr viele indische Mantren gesungen. Auch wenn diese Melodien sich stark von ihrer indischen Abstammung unterscheiden, ist dennoch die heilende Intention eine ähnliche. Meiner Ansicht nach ist die Zeitlosigkeit der Gottesliebe der Grund für diese Beständigkeit der alten Lieder - welche, wenn rezitiert, ihre inhärente Kraft offenbaren. Auch wenn es nicht nötig ist die kulturellen Hintergründe zu kennen um in diese Liebe einzutauchen, kann es doch sehr hilfreich sein den indischen Kontext besser zu verstehen. Der Anthropologie Professor Tim Ingold beschreibt diese Herangehensweise so, dass er sagt wir studierten in der Anthropologie mit den Menschen und wir hoffen von ihnen zu lernen. Das was wir „Forschung“ oder „Feldforschung“ nennen ist in Wahrheit eine langgezogene Lehrstunde in welcher der Novize schrittweise lernt Dinge zu sehen, zu hören und zu fühlen - auf eine Weise, wie es sein oder ihr Mentor macht. Ich bin der Meinung, dass wenn wir das Göttliche Selbst als unseren einzigen Mentor wählen, wir uns diesem immer mehr annähern bis schließlich die Dualität überkommen ist. Immer wieder werde ich mich gerne an die wundervollen Momente in Haidakhan zurückerinnern, wo ein Tag damit beginnt den Morgen feierlich zu begrüßen und reinigende Tränen in die Flammen der transformierenden Mutter gegeben werden.